Hello & Bye-Bye

Zur Pensionierung von Werner Brönnimann

Text: Caroline Dieth
Bild: Martin Rizek

Lieber Werner
Liebe Kolleginnen und Kollegen

Wer dich heute an dieser Schlusskonferenz verabschiedet, war in der Fachschaft Deutsch kein Diskussionsthema. Es war allen klar, dass ich das übernehmen werde.
Du bist nämlich nicht nur seit 26 Jahren mein Arbeitskollege, sondern du bist auch mein Freund.

Werni, du hast mich in den vergangenen 26 Jahren nie enttäuscht. Ich konnte mich immer auf dich verlassen. Ich habe volles Vertrauen zu dir. In schwierigen Situationen – beruflich oder privat - bist du mir zur Seite gestanden. Wenn mir etwas besonders gut gelungen ist, hast du dich mit mir gefreut.
Jemanden, von dem man all das sagen kann, nenne ich einen Freund.

Wir haben oft herausfordernde Situationen mit einzelnen Schülerinnen oder Schülern, mit Klassen, mit Kolleginnen und Kollegen oder mit der Schulleitung miteinander besprochen. Du hast dich immer sehr sorgfältig in die Situationen eingedacht und mir auch einen Rat gegeben, wenn ich dich darum gebeten habe. Ich habe deine Ratschläge immer geschätzt – OBWOHL… deine Ratschläge waren manchmal unangenehm, weil sie oft radikales Umdenken und unkonventionelles Vorgehen verlangten. Ich habe deine Anregungen oft ausprobiert und dadurch mein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten erweitert.

Du gibst nicht nur Ratschläge, du selbst bist immer interessiert an Anregungen und Inspirationen. Die Phasen von intensiver Zusammenarbeit mit Kollegen und
Kolleginnen bilden deshalb die besonderen Highlights deines gesamten Arbeitslebens.
- Als ich noch nicht einmal Lehrerin war, hast du schon mit Leidenschaft interdisziplinäres Zusammenarbeiten praktiziert, wenn du als Germanist z.B. zusammen mit zwei Kolleg*innen – mit einer Psychologin und einem Musiker -
eine Studienwoche angeboten hast zum Thema: Wien um 1900 – Literatur, Psychologie, Musik.
- In meinem ersten Jahr an der Kantonsschule Wettingen habe ich an einer Präsentation teilgenommen. Zwei Lehrpersonen – Marcel Kunz und Werner Brönnimann – haben die Lektionen ihrer dritten Klassen im Stundenplan aufeinandergelegt und sich mit den ca. 45 Schülern ein Semester lang mit Heinrich Heine befasst, neue Arbeitsmethoden und vielfältige Herangehensweisen ausprobiert, mit neuen Benotungsmöglichkeiten experimentiert. Ich war als Junglehrerin, als Grünschnabel, an der Präsentation der Ergebnisse dabei und habe darüber gestaunt, was alles möglich ist.
- Schliesslich durfte ich selber mit dir ein SPF-PPP-Team bilden. Wir haben gemeinsam Konzepte entworfen, im Team geteatcht und Schwerpunktfachreisen durchgeführt. Als es noch Maturareisen gab und von SPF-Reisen noch niemand gesprochen hat, waren wir mit deiner Klasse zusammen in Berlin. Als wir ein paar Stunden ohne die Schüler Zeit hatten, hast du mir erzählt, dass es seit wenigen Jahren eine Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen gebe. Das hat natürlich auch mich interessiert. Während ich versucht habe, auf dem Stadtplan herauszufinden, wo sich die Gedenkstätte befindet, hast du ein Taxi angehalten, das uns auf direktem Weg nach Hohenschönhausen gebracht hat, wo 10 Minuten später – wir hatten Glück
- eine Führung mit einem Zeitzeugen begonnen hat. Wir waren erschüttert, aber auch fasziniert von der Dichte an psychologischen und philosophischen Themen, welche diese Führung angesprochen hat. Das war meine persönliche Geburtsstunde der SPF-PPP-Reise, die wir später so oft zusammen durchgeführt haben. Weil ich mich ans vorgegebene Zeitlimit halten möchte, muss ich mich nun aufs absolut Wesentliche konzentrieren.
- Werni, mir gefällt die Mischung aus Leidenschaftlichkeit, Intuition und scharfem Verstand, mit denen du die Dinge anpackst. Die Unerbittlichkeit, mit denen du Phänomene immer noch besser verstehen und durchschauen willst.
- Mir gefällt deine Begeisterungsfähigkeit einerseits und andererseits dass du vor keiner unangenehmen Erkenntnis die Augen verschliesst.
- Mir gefällt, dass du kein oberflächlich geglättetes Leben anstrebst, sondern dich mit allem befasst, was zum Leben gehört. Nichts Menschliches ist dir fremd. Mit dir kann ich lachen und mich freuen, WEIL ich mit dir auch traurig und wütend sein kann.

Werni, nach über 30 Jahren verlässt du die Kanti Wettingen. Ich weiss, wonach du dich nicht zurücksehnen wirst. Und ich weiss, was du vermissen wirst. Als Lehrperson geht man irgendwann in Pension, aber als Freund geht man ja Gott sei Dank nicht in Pension, deshalb muss ich mich heute nicht wirklich von dir verabschieden.

Dennoch: Der Abschied von dir als Arbeitskollege fällt mir gerade schwer genug.
Werni, ich bin gespannt, was dich beschäftigt und womit du dich beschäftigst, wenn wir uns das nächste Mal sehen…