Hello & Bye-Bye

Zur Pensionierung von Gabi Weber

Text: Marian Beck
Bilder: Olivia Aloisi, illustra.ch

Wenn ich meine Augen schliesse und an Gabi denke, sehe ich sie in der Werkstatt des Palazzos an der Werkbank stehen. Die Ablage ist voller Kartonmodelle und Glasuren. Ihre Hände tasten ein Werkstück aus Porzellan ab. Mit zusammengekniffenen Augen prüft sie die Gussformen – vollkommen innig in die Arbeit versunken. Sie hört mich nicht kommen, denn dieses Miteinander von Planen, Entwerfen, Konstruieren, Prüfen, Tasten, Fühlen und Verbessern absorbiert sie vollständig. Später wird sie ihre Materialexperimente methodisch didaktisch feingliedrig aufdröseln und für die Schülerinnen und Schüler einen Projektbogen konzipieren. Das Resultat dieses Projekts werden selbständig gegossene Porzellangefässe sein. Und diese werden so stilvoll wirken, dass sie auch in einen Concept Store passen.

Heute gibt es für Gabis Arbeitsmethoden neumodische Wörter wie explorativ, iterativ, inkrementell oder «Prototypen». Man könnte es auch einfach «Kopf, Herz und Hand» nennen.
Denn für mich ist Gabi der Archetyp einer Gestalterin. Ihre kreative Neugierde reisst nie ab. Stets erobert sie sich in neue Themen und Techniken und es gibt keinen Lebensbereich, der nicht als kreative Inspiration dienen kann. So werden Milchtüten zu Tiefdruckplatten und aus Konservendosen und Schuhschachteln entstehen Lochkameras. Wenn der digitale Kabelsalat nervt, wird kurzerhand ein Etui entworfen, in dem jedes «Käbeli» seinen Platz hat. Ideen für die Maturaprüfung werden auch mal zur Unzeit im Nachtzug auf Bierdeckeln skizziert und diskutiert. Bei all ihrem Tun stellt Gabi die Qualität der Idee konsequent über Abwägungen von Aufwand und Ertrag. Kunst und Design ist schlicht Gabis Art zu leben.

Sie vertraut darauf, dass sich dieser gestalterische Funke auf die Schülerinnen und Schüler im Unterricht überträgt. Darin ist sie ganz Puristin. Es liegt ihr fern, die Schülerinnen und Schüler mit Effekthascherei und Bespassung für die kreative Sache einzunehmen. Wer sich aber auf ihre Methodik einlässt, der erhält eine ausgeklügelte und fundierte gestalterische Grundbildung.

Als Gabi 1990 als Ehemalige an der Kantonsschule Wettingen zu unterrichten begonnen hatte, waren die Anforderungen an unser Fach noch ganz andere. Damals dominierte das Abzeichnen mit Bleistift den Unterricht. Die Digitalisierung veränderte tiefgreifend unsere Ausrichtung und Inhalte. Gabi hat sich diesen Veränderungen immer gestellt und die Weiterentwicklung des Faches aktiv mitgestaltet. Dabei achtete sie darauf, auch die ursprünglichen Qualitäten wie das Haptische, Handwerkliche, Sinnliche und Analoge nicht zu vernachlässigen.

Ein ganzes Arbeitsleben an Erfahrungen und handwerklichem Wissen steckt nun in Gabis Kopf, Herz und Händen. Sie hat ihr Können grosszügig mit uns geteilt. Als Teamplayerin hat sie nie selbst das Scheinwerferlicht gesucht. Hat auch mal Dinge erledigt, ohne die eigene Leistung an die grosse Glocke zu hängen oder abzurechnen. Wenn im neuen Schuljahr die ersten Schülerinnen und Schüler im Berufsfeld Gestaltung und Kunst starten, dann geht das auf Gabis Initiative und Engagement zurück, um eines von zahlreichen Beispielen zu nennen.

Gabi war sowohl im Gestalterischen Werken als auch im Bildnerischen Gestalten gleichermassen zu Hause. Aber wenn ich an Gabis Stärken denke, dann wirds einfach räumlich. Wenn ich nun die Augen erneut schliesse und an Gabis Zukunft denke, dann sehe ich sie in ihrem Atelier strapazierte Liebhaberstücke kunstvoll restaurieren und polstern. Ich überlege mir, welches runtergerockte Erbstück ich von ihr veredeln lassen könnte. Ich weiss, es würde durch ihre Hände schöner, als ich es mir vorstellen kann: gabiweberpolsterei.net

Video – eine Würdigung