Bildung

Frauen im Laufgitter

Text und Bilder: Werner Bänziger und Irene Wehaiba

Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben: Hätte Iris von Roten ahnen können, wieviel Unbill sie durch ihr epochales Werk auf sich ziehen würde?

Nehmen wir das 1958 erschienene Werk der Emanzipationsliteratur zur Hand, so staunen wir: Nichts hat die Autorin ausgedrückt, was sie heute nicht ungestraft sagen dürfte. Einige ihrer Gedanken sind zwar noch immer kühn, gerade was die Sicht auf monogame Beziehungen anbelangt, die meisten ihrer Anliegen sind aber zur Selbstverständlichkeit geworden. Wer bezweifelt noch, dass den Frauen dieselben Rechte zustehen wie den Männern und sie eine nicht nur gute, sondern exzellente Ausbildung machen sollten? Der Teufel liegt, wir wissen es, im Detail. Die hehren Bekenntnisse zur Frauenförderung stossen oftmals auf triviale Schwierigkeiten: Sind die Arbeitgeber bereit, Männer Teilzeit arbeiten zu lassen? Werden Frauen tatsächlich ermutigt, Führungsaufgaben zu übernehmen? Und: Finden sie privat jene Unterstützung, welche die Doppelbelastung durch Beruf und Familie erträglich macht?


Lebensziele junger Frauen

Dass die Männer heute so schamlos über eine Autorin herziehen würden, wie sie es damals taten, ist nicht zu erwarten. Man(n) hat gelernt, was erwartet wird: Ob den Lippenbekenntnissen Taten folgen, ist eine andere Frage. Die anlässlich der Variowoche zum Thema «Aus dem Laufgitter und ab ins Bundeshaus» aufgeworfenen Fragen prägen auch heute unseren Alltag. Das ist den 18 Schülerinnen unter der Leitung von Irène Wehaiba und Werner Bänziger anzumerken gewesen: Welche Lebensziele sollen und wollen sich junge Frauen setzen, welche eben daran sind, sich vertieft über ihre Zukunft Gedanken zu machen? Welche Folgen hat es für die Lebensplanung, wenn ein gleichberechtigtes Leben angestrebt wird und die Erziehung der Kinder gleichermassen durch Mann und Frau geschehen soll? Was bedeutet es schliesslich für die Gegenwart, wenn die Werte der Vergangenheit so fundamental von dem abweichen, was wir heute erwarten? Ist in Sachen Gleichstellung Geduld gefragt oder doch eher Ungeduld?


Besuch bei Esther Bänziger

Während der Variowoche haben sich die Schülerinnen auf unterschiedlichen Ebenen mit der Thematik auseinandergesetzt: Einerseits lasen sie ausgewählte Kapitel des Standardwerkes und diskutierten sie untereinander und in der Kursgruppe, andererseits wurde grossen Wert auf die Selbstreflexion gelegt. Zu diesem Zweck führten die Schülerinnen ein Journal. Schliesslich schaute die Kursgruppe noch zwei Filme an, zur Vertiefung trug auch eine zweiteilige Exkursion nach Baden bei. Highlight war, wie die Auswertung der Feedbacks zeigte, der Besuch von Esther Bänziger, die als eine der ersten Frauen in der Politik des Aargaus eine Rolle spielte. Sie war zuerst Gemeinderätin in Eggenwil und später Grossrätin für die SP. Sie zeigte in einer Fragerunde auf, wie weit der Weg war, bis Frauen als selbstverständlicher Teil des politischen Lebens wahrgenommen wurden.


Norm und Ausgrenzung

Das Fazit einer Schülerin: «Wenn man sich ausserhalb der Normen bewegt, drohen soziale Sanktionen. Die Feministin Iris von Roten wurde nach der Veröffentlichung ihres Buches abgestraft. Sie war ihrer Zeit weit voraus. Man machte sich öffentlich über sie lustig und sie wurde angefeindet. Auch heute besteht das Problem, dass man ausgegrenzt wird, wenn man nicht der Norm entspricht.» Hoffnungsvoller und deshalb als Schlusswort geeignet die Quintessenz einer anderen Schülerin: «Ich schätze es sehr, dass ich heute genau das studieren und im Leben machen kann, was ich möchte … Ich denke, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Unser Geschlecht sollte uns nicht daran hindern, das zu tun, was wir lieben.»

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