Viel Erfolg!

Abschlussfeier in der Klosterkirche

Text: Antonia Camponovo Maturarede: Franziska Burger
Bilder: Martin Rizek

An der Abschlussfeier in der Klosterkirche am 18. Juni 2021 durften 51 Schüler*innen ihre Fachmaturitätsausweise und 186 Schüler*innen ihre Maturazeugnisse entgegennehmen.

Um eine schutzkonforme Durchführung gewährleisten zu können, fanden die Feiern gestaffelt und ohne Publikum statt. Die Zuschauer*innen konnten via Live-Stream dabei sein. Der beeindruckende musikalische Rahmen durch die Schülerin Christina Beng und die Gitarrenlehrerin Karin Rüdt sorgte dafür, dass die Feiern auch ohne anwesendes Publikum sehr stimmungsvoll waren.

Der Rektor der Kantonsschule Wettingen, Paul Zübli, führte gekonnt durch die Feier. Der Gemeindeammann von Wettingen, Roland Kuster, übergab die Preise für herausragende Leistungen. Zudem wurde ein Preis für die besten Noten im Fach Wirtschaft und Recht durch die Anwaltskanzlei Voser vergeben.

Vor der eigentlichen Zeugnisübergabe richteten sich die Klassenlehrpersonen mit kurzen, persönlichen Worten an die Schüler*innen. Besonders berührend waren die Reden der Abschlussschülerinnen Lynn Fauver und Franziska Burger. Darin wurden die Leistungen schulischer aber auch sozialer Art gewürdigt. Die Schulzeit wurde als Möglichkeit für eine Weiterentwicklung aller Beteiligten gesehen – der Schüler*innen aber auch der Lehrpersonen und der Schulleitung.

Gedankt wurde ausserdem dem Sekretariatsteam, dem Hausdienst, der Gärtnerei, dem Videoteam und dem Mensateam – sie alle hatten im Hintergrund viel geleistet, damit der Anlass in dieser Form möglich wurde.

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Ein wenig Wehmut, aber auch die Freude über den Abschluss war allen anzumerken.

Nach dem Anlass wurde jede Klasse im Abthof fotografiert. Für die Schüler*innen geht eine unvergessliche Zeit auf der Klosterhalbinsel zu Ende – und ein neuer Abschnitt beginnt. Dafür wünschen wir ihnen von Herzen alles Gute!

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Maturarede von Franziska Burger

Von Kassenzetteln und Hauptbahnhöfen

Ich habe ein GA und so sass ich letztens im Zug. Ich möchte ehrlich sein mit euch. Heute ist mein letzter Tag und ich habe wohl offiziell die Erlaubnis heute nichts mehr schön reden zu müssen. Es war ehrlich gesagt gestern Abend. Leider war während meiner Reise alles andere Notizpapier für die Rede heute nass geworden und ich musste mich in meinem Rucksack auf die Suche nach einem verkrümelten Papierchen machen und wurde tatsächlich in einer verstaubt verstorbenen Ecke meines Portemonnaies fündig und ich fand einen Kassenzettel.

Und so sass ich da und war bereit jetzt aufzuschreiben, was ich alles gelernt habe in diesen vier Jahren. Und der Regen tröpfelte poetisch an die Fensterscheiben, mein Stift lag gezückt in meiner Hand, war bereits im perfekten Winkel angesetzt und die Muse war kurz davor mich zu küssen und tat es dann aber nicht, denn es viel mir wirklich nichts ein. Entschuldigen sie.

Dieser Kassenzettel kam mir im ersten Moment unendlich lang vor. Daher habe ich mein Konzept geändert damit mich die Muse küsst und tatsächlich floss es dann äusserst geschmeidig aus meiner Feder heraus.

Also Achtung. Ich werde jetzt meine tollen Einfälle mit euch teilen:

Plötzlich war dieser Kassenzettel doch zu klein.

Viele dieser Details, die wir da auf die Prüfungspapiere geschrieben haben, werden wir vergessen. Und wenn ich an die Kanti zurückdenke, dann muss ich zugeben, dass es zufälligerweise keine Chloroplasten waren, die mich nachts im Bett wach gehalten haben. Kanti war mehr als Strahlensatz und Integral. Es war ein Lebensabschnitt für alle von uns.

Wir haben gelernt. Wir haben uns verändert. Wir sind gewachsen. Wir haben diese Zeit nicht nur durchgestanden, wir haben sie erlebt. Nicht nur unser Wissenspeicher. Sondern wir als ganze Menschen.

Unsere Körper haben sich verändert. Unsere Geschmäcker haben sich verändert. Unsere Träume – was wir vom Leben wollen – all das hat sich verändert. Wir haben gelernt, wie gut Selectaautomatenschokolade in der Pause zwischen langen Französischstunden schmecken kann, obwohl ich nicht wissen will, was dieses Gebräu, dass aus diesen alten verstaubten Automaten so mühselig herauströpfelt, mit frischer Milch zu tun hat. Wir haben gelernt was für Musik wir mögen, Fragen zu beantworten und wir haben gelernt ein erstaunlich gutes Gespür dafür zu entwickeln, wann es Pommes in der Mensa gibt. Ich habe gelernt, dass ich das T-Shirt mit den eleganten, violetten Schmetterlingen, den hübschen Glitzersteinchen und der flotten Schnörkelschrift doch nicht mehr ganz so bezaubernd finde, obwohl meine Bezfreund*innen das einstimmig genau so faszinierend fanden wie ich. Wir haben gelernt einen eignen Stil zu entwickeln. Nicht nur in puncto Kleidung.

Und während mir die Bezirksschule gezeigt hat, dass Testosteron und sonstige Körperhormone echt Seltsames tun, so hat mir die Kanti gezeigt, dass dadurch in vier Jahren auch sehr förmige, schöne Menschen entstehen können. Wir haben gelernt wie hilfsbereit umgegangen wird miteinander, wenn am Sonafeaufbaunachmittag die heissbegehrte Bohrmaschinen mal nicht da ist. Und wenn der Duft von Holzspänen in der Luft hängt, wird mir warm ums Herz und ich denke an lange Sommernächte, schöne, peinliche Erlebnisse und durchströmender Alkohol in meinen Adern.

Wir haben an dieser Schule aber nicht nur gelernt unsere Bohrmaschinen zu teilen, sondern viel mehr. Unsere Sorgen, unser Prüfungsstress, unsere Ängste und unsere Selbstzweifel, die uns in diesen vier Jahren alle einmal aufgesucht haben. Aber auch unsere Freude. Wir lernten freundschaftliche und nichtfreundschaftliche Liebe zu teilen, uns zu unterstützen und einander auch 5 Minuten vor der Prüfung einander im rasselnd holpernden Tempo noch alles hineinzudrücken in dieses Gehirn.
Wir haben gelernt füreinander da zu sein. Der Zug der Kanti Wettingen brachte uns nicht nur von A nach B, sondern uns alle in einen gemeinsamen Zug, in dem wir zusammen sassen. In dem wir gemeinsam all diese intellektuellen Landschaften voller Chloroplasten an uns vorbeiziehen lassen haben.

Doch versteht mich nicht falsch. Diese Landschaften des Lernens und die vielen Chloroplasten waren deswegen nicht unnötig. Aber ich will sagen, dass wir in diesen vier Jahren sehr viel mehr gelernt haben als das. Ich will betonen, was wir wirklich können. Denn was wir gelernt haben passt nicht auf die Rückseite eines Kassenzettels, weil wir reifer geworden sind als ganze Menschen. Wir haben als Ganzes mehr Haltung bekommen und uns als Personen geformt.

Ich weiss zwar nicht mehr, wie die genaue Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist, aber ich weiss, was es bedeuten kann. Ich weiss nicht mehr wie die Affaire von Baudelaire heisst, aber ich weiss, dass Menschen in anderen Jahrzenten genau so verliebt waren wie ich in den Typen, der in echt übrigens echt viel besser aussieht als auf seinem Intranet-Bild. Ich weiss nicht mehr wieso die Iphigenie von Goethe auf Tauris ist, aber wir alle haben gelernt uns selbst Fragen zu stellen, zu diskutieren, Figuren verstehen zu wollen, Raum für unsere eigene Denkfähigkeiten zu haben.

Wir lernten zu hinterfragen, unseren Blick zu schärfen. Kritisch zu sein. Unseren Verantwortungsradius zu vergrössern. Selber zu denken.

Das heisst nicht das wir das perfekt beherrschen. Wir lernten und wir lernen immer weiter. Unser Zug hat uns, wie mein GA, nur durch ein bestimmtes Gebiet getragen und nur bestimmte Landschaften vor Augen geführt. Das kennen wir jetzt besser. Aber in dieser Welt da draussen gibt es so viele weitere Züge und so viele weitere Landschaften und so viele weitere Berge und Täler und Wissenshorizonte, die es noch zu entdecken gibt, denen ich nur betäubt gegenüberstehe und die ich euch nicht einmal beschreiben kann. Wir sind nicht besser als der Rest der Welt, aber die Knete, die wir zu Beginn dieser Jahre waren, diese hat Form angenommen und selbstständigere, reifere, kritischere Personen hervorgebracht.

Und das sehe ich, wenn ich jetzt hier ins Publikum hineinschaue. Ich habe uns so gerne zugeschaut. Wie wir reifer wurden, wie wir besser argumentieren und mehr wissen über die Welt oder auch wie wir für uns ganz andere Prioritäten gesetzt haben. Wie wir schöner wurden, wie wir selbstständiger wurden, wie wir Beziehungen aufgebaut haben zueinander. Und wenn ich so ins Publikum schaue, dann sehe ich ganz viel Form, die wir alle angenommen haben.

Und dafür möchte ich jetzt gerne Danke sagen. Ich danke uns Schüler*innen für die Unterstützung, für die Partys, für die Lernsessions, für die Freundschaft und natürlich für die Bohrmaschinen. Wir danken euch Lehrpersonen für den Raum, den ihr uns gegeben habt, selber denken zu müssen. Wir danken euch für all das Wissen, das ihr uns gegeben habt. Für eure Leidenschaft für euer Fach. Dafür, dass ihr alle überzeugt seid, dass nur eures das Beste ist. Und für eure ganz individuellen Persönlichkeiten, die diese Schule ebenfalls ausfüllen. Wir danke den Gärtner*innen, die geschaut haben, dass es hier so hübsch aussieht und wir bei allen Schüler*innen der Kanti Baden so schön angeben können, dass wir so einen tollen Park haben. Wir danken den Mensa- und Kaffi-Angestellten, die so hervorragendes Essen für uns gekocht haben und uns mit ihren Schokoladenbrötchen manchen Tag gerettet haben. Diese gehören wie die Gärtner*innen und auch die Putzkräfte genauso zu dieser Schule wie die Gleise zu einem Zug. Wir danke der Schulleitung, dass das möglich war. Und wir danken allen.

Züge sind lang, aber wir sind jetzt am Hauptbahnhof angekommen. Wir müssen aussteigen aus diesem schönen Zug. Alle Anschlusszüge gehen in die unterschiedlichsten Richtungen und wir werden ganz viele wunderbare Orte dieser Welt und ganz viele wunderbare Landschaften, Aussichten, Düfte und verwinkelte Ecken dieses Planeten erkunden und entdecken dürfen. Ich fühle viel Vorfreude. Und viel Trauer.

Aber ich bin mir sicher: Wenn sich unsere Bahngleise in Zukunft doch einmal berühren werden, dann freue ich mich so zu sehen wie wunderbar sich unsere Form weiterhin zu einem Kunstwerk entwickelt hat. Zu eigenen Personen. Mit Zielen, Träumen, Wissen und Prioritäten. Und das soll selbst auf 100 Kassenzetteln keinen Platz mehr haben.

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