Teamteaching im Akzentfach Geistes- und Sozialwissenschaften (AGSW)
Fünf Vitrinen stehen auf dem Flur im Geographietrakt des Hauptgebäudes der KSWE. Die Schüler*innen des Akzentfaches GSW haben diese im Rahmen eines Projekts zum Thema «Rohstoffe» in Gruppen gestaltet. Aufmerksam verfolgen Britta Holden und Sibylle Stämpfli die Erläuterungen einer Schülergruppe. Zum Abschluss des Projektes werden die Gestaltung der Vitrinen und die Präsentationen bewertet.
Fächerübergreifenden Unterricht gibt es auch in den übrigen Akzentfächern, in den Schwerpunktfächern am Gymnasium sowie in Grundlagen und berufsfeldbezogenen Fächern an der FMS. Sibylle Stämpfli (Geografie) und Britta Holden (Geschichte) sind nur eines von vielen Gespannen, die an der KSWE im Teamteaching den Unterricht gestalten. Im nächsten Semester wird zu diesem auch Astrid Baumgartner (Wirtschaft und Recht) noch als dritte dazu stossen. Was schätzen die beiden Lehrerinnen besonders am gemeinsamen Unterrichten?
Stämpfli meint: «Es ist wie eine Stärkung: Man hat eine Kollegin, die einem Backup gibt». Während die eine z.B. die Problematik des Abbaus von Bodenschätzen im Kongo erläutert, kann die andere dafür sorgen, dass eine konzentrierte Atmosphäre herrscht. Oder man hat gemeinsam mehr Zeit für die Arbeitsgruppen und kann sie intensiver betreuen. Oft spricht sie auch während einer Phase im Plenum die Partnerin im Team direkt an: «Du, Britta, wie sieht das aus der Perspektive der Geschichte aus?». Das kommt oft auch ganz spontan.
Auch im Fachunterricht werden Bezüge zu anderen Fächern hergestellt. Hier stösst man aber oft an die Grenzen der eigenen Kompetenz. Durch die Zusammenarbeit kann geografisches, historisches und wirtschaftliches Fachwissen eingebracht werden. So wird ein Thema inhaltlich ganzheitlicher behandelt.
Unterbrechen erwünscht
Britta Holden erläutert, dass schon die Grobplanung vor Beginn des Semesters gemeinsam durchgeführt wird. Hier werden die wichtigen Aspekte des Themas eingeordnet und über ein Semester aufgebaut. In einer ersten Unterrichtsphase werden Grundlagen aus den beteiligten Fächern gelegt, auf denen in der zweiten ein Projekt aufbauen kann. Für die Feinplanung der einzelnen Lektionen übernimmt meist eine Lehrperson den Lead, die andere ist aber immer einbezogen. «Wir nehmen im AGSW das Teamteaching sehr ernst, wir teilen unsere Themen nicht auf, sondern sind beide direkt im Unterricht präsent.» So ergänzt man sich gegenseitig mit weiteren Inputs aus der spezifischen Fachperspektive. Unterbrechen ist hier ausdrücklich erwünscht, wirkt nicht störend, sondern ergänzend. So erkennen auch die Schüler*innen, dass es verschiedene Blickwinkel gibt. Es entsteht bei ihnen eine Art geistiges Mindmap, das übergreifende Zusammenhänge aufzeigt. «Das Teamteaching lebt von der gemeinsamen Präsenz der Lehrpersonen», meint Sibylle Stämpfli, «das muss über die gemeinsame Planung hinaus gehen.»
Neben den fachlichen Stärken können auch persönliche eingebracht werden. Die eine legt vielleicht mehr Wert auf eine genaue Planung bis ins Detail, die andere hat ein besonderes Flair dafür, den Schüler*innen Feedbacks zu geben. Meist entwickelt sich das informell, man macht das, was man besser kann.
Gibt es auch Konkurrenzsituationen, dass eine sich eher verständnisvoll zeigt und die andere öfter auf die Abgabetermine und Aufgaben hinweist, wie der bad cop und der good cop im Verhör im Kriminalfilm? Stämpfli: «Ich habe oft das Gefühl, dass ich der bad cop bin, und ich finde das gar nicht schlimm.» Ich empfinde das als eine Stärke, die ich einbringen kann. Solche Rollen können auch je nach Konstellation ändern. Wenn der andere spontaner agiert, betont man selbst mehr seine strukturierte Seite und umgekehrt. «Je nach Paarung hat man eine andere Rolle».
Neben der gegenseitigen fachlichen Weiterbildung schätzen die beiden auch den didaktischen Wissenszuwachs. Sibylle Stämpfli: «Als Anfängerin im Lehramt habe ich auch didaktisch sehr viel gelernt. Ich habe mit dem Geschichtslehrer Kurt Gasser zusammengearbeitet, der damals schon sehr erfahren war. Wie er souverän die Klasse führte und auf eine gute Art unter Kontrolle hatte, hat mich damals sehr beeindruckt». Auch wenn sie heute selbst viel Erfahrung hat, gibt es doch immer wieder Situationen, wo sie Anregungen erhält oder Methoden bei der Kollegin sieht, die sie später selbst ausprobiert. Auch Britta Holden meint: «Das Repertoire an Projekten, Produkten, Arbeitsaufträgen wird erweitert, man kommt heraus aus der Routine.» Auch wenn man gelegentlich Fehler beim Kollegen oder der Kollegin beobachtet, dient dies wiederum zur Reflexion des eigenen Handelns.
Beim Bewerten von Projekten ist es manchmal nicht einfach, zu einer Note zu kommen. Nicht alles ist eindeutig messbar. Da ist man froh, eine zweite Meinung zu haben. Häufig bestätigt man sich in seiner Einschätzung, manchmal geht es aber auch auseinander. Dann diskutiert und reflektiert man die Kriterien und Bewertungen noch einmal.
Belastende Seiten des Teamteachings
Fällt ein Kollege oder eine Kollegin im Team für kurze Zeit aus, gibt es meist keinen Stellvertreter. Der Aufwand, sich ins Thema und in die Projekte einzuarbeiten wäre zu gross. Dann muss die Verbleibende den Karren für eine Weile alleine ziehen. Spannungen im Team kann es geben, wenn eine Lehrperson glaubt, mehr arbeiten zu müssen als die andere und das Gefühl hat, hängen gelassen zu werden. Meist ist die Zusammenarbeit aber doch sehr ausgeglichen.
Ein Unterrichtsblock mit einer Klasse belegt 3 Lektionen, die nicht für beide Lehrpersonen voll bezahlt sind. In manchen Semestern arbeiten Lehrpersonen in 4 oder sogar mehr solchen Teams. Das belegt zahlreiche Stundenplanpositionen mit unbezahlten Lektionen und schränkt die Positionierung der übrigen Lektionen ein. So ergeben sich oft viele Zwischenstunden, die nicht immer effizient genutzt werden können. Insgesamt erhöht sich damit die zeitliche Belastung.
Spielt es eine Rolle, ob man als Frauenteam arbeitet oder gemischt? Die Lehrerinnen haben schon beide Varianten erlebt. Britta Holden meint dazu: «Ich finde es gut, wenn die Teams gemischt sind. Es gibt mehr Reibungsmöglichkeiten und Auseinandersetzungen, das gefällt mir. Auch die Abwechslung ist positiv. Ich habe schon mit allen Lehrpersonen aus der Geografie zusammengearbeitet». Und die Inhalte? Für Holden betrifft das Genderthema Frauen und Männer gleichermassen. «Es kommt eher auf die Persönlichkeit oder die Generation an als auf das Geschlecht der Lehrpersonen.»
Wir-Gefühl
Ein Team ist immer besser als die Einzelkompetenz einer Lehrperson. Das spüren auch die Schüler*innen. Die beteiligten Lehrpersonen und Schüler*innen empfinden dieses Unterrichtsgefäss, in dem tatsächlich zusammengearbeitet wird, als sehr wertvoll. Es erfordert hohe Verfügbarkeit, aber der Einsatz lohnt sich sehr. Durch die Arbeit in wechselnden Teams verstehen sich die Lehrpersonen vermehrt auch als ein Teil des gesamten Kollegiums. Britta Holden: «Hier entsteht tatsächlich ein Wir-Gefühl.»