Bildung

Gesunde, verständnisvolle und sozialkompetente Lehrpersonen

Text: Uwe Kersten
Bilder: Martin Rizek und SGE&Q

Fortbildung der KSWE

Am 20. und 21. Juni 2019 fand in St. Gallen eine zweitägige Fortbildungsveranstaltung des gesamten Kollegiums der KSWE statt. Die Steuergruppe Schulentwicklung und Qualität war verantwortlich für die erfolgreiche Gestaltung des Grossanlasses.

Die Steuergruppe Schulentwicklung und Qualität (SG SE&Q) ist ein ständiges Gremium der KSWE, das unter dem Vorsitz des Rektors Paul Zübli steht. Ihre Arbeit umfasst im Wesentlichen die zwei im Namen enthaltenen Tätigkeitsfelder. Diese sind aber eng miteinander verknüpft, da Schulentwicklung immer auch Qualitätsentwicklung ist und umgekehrt.


Qualität und Schulentwicklung

Bezüglich der Qualitätssicherung gestaltet die Steuergruppe seit einigen Jahren die Feedbackkultur an der KSWE. So wurde zunächst ein «360 Grad Feedback» eingeführt. Dieses umfasste Feedbacks der Lehrpersonen von ihren Schüler*innen, den Kolleg*innen und der Fachschaft. Dazu kam ein Feedback des Kollegiums an die Schulleitung. Im Rahmen einer Weiterentwicklung organisierte sich das Kollegium der KSWE in fächerübergreifenden Feedbackgruppen, welche vor allem individuelles und kollegiales Feedback durchführen, Fallbeispiele und Problemfälle diskutieren.

Bei der Schulentwicklung steht die Mitwirkung bei der Festlegung und Erreichung der Jahresziele durch die Schulleitung im Vordergrund. Ausserdem funktioniert die Gruppe als Thinktank des Rektors, der nach Bedarf der Schulleitung in die Entscheidungsfindung einbezogen wird und eigene Anregungen einbringen kann. Eine der wichtigen Aufgaben ist auch die Organisation und Durchführung von internen und externen Fortbildungen und die Weiterführung der dort entwickelten Zielsetzungen. Entsprechende Arbeitsgruppen werden von Mitgliedern der SG SE&Q geleitet. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt «Phasenunterricht», das bereits in den letzten Jahren im Jahrbuch der KSWE vorgestellt wurde. Zusätzlich zu den Aktivitäten der SG SE&Q initiiert die Schulleitung auch unabhängig Schulentwicklungsprojekte, wie z.B. in den Schuljahren 17/18 und 18/19 das gross angelegte Projekt  «Starke Lehrkräfte».


Externe Fortbildungen als Pflicht und beliebte Tradition

Externe Fortbildungen fanden in den letzten Jahren in Saig (DE) und wiederholt in Emmetten statt. Einerseits erfüllt die KSWE damit einen Teil der im Gesetz über die Anstellung von Lehrpersonen (GAL) vorgesehenen «Gemeinsamen Arbeitszeit». Andererseits stellen solche Fortbildungen inzwischen eine beliebte Tradition der KSWE dar. Sie haben eine positive Wirkung auf die Teambildung im Kollegium und geben zudem wertvolle Impulse für die Schulentwicklung. Insbesondere in Emmetten wurden nachhaltige Projekte für die Schulentwicklung aufgegleist, so z.B. die Weiterentwicklung der FMS („FMS neu denken“), die Einführung von Posterpräsentationen der Maturaarbeiten oder eine schüler*innen freundliche Gestaltung von Aufenthalts- und Ruheräumen.

Vor diesem Hintergrund diskutierte die Steuergruppe im Schuljahr 18/19 die Durchführung einer weiteren solchen externen Veranstaltung.  Als Organisationsteam stellten sich Sabine Flück, Michèle Jeuch, Claudia Hörr und Uwe Kersten zur Verfügung. Der Prozess begann mit einer genauen Abklärung der Bedürfnisse der Lehrpersonen. Im Rahmen einer Retraite von Fachvorständen und SG SE&Q im «Alten Löwen» (einem Teil des Mensagebäudes) räumte die Schulleitung hierfür Zeit ein. Es zeigte sich, dass aktuell bereits viele Projekte an der Schule durchgeführt wurden, die eine hohe Belastung der Lehrpersonen mit sich brachten und noch nicht abgeschlossen waren. Zudem stiess zu diesem Zeitpunkt das kantonale Projekt «Kanti 19+» auf grossen Widerstand der Lehrpersonen, weil hier Schulentwicklung mit Sparbemühungen des Kantons verbunden werden sollen. Es herrschten somit nicht die besten Rahmenbedingungen, um Lehrpersonen für eine Weiterbildung zu motivieren.

Das Brainstorming an der Retraite zeigte teilweise heterogene Bedürfnisse auf. Es kristallisierten sich aber die folgenden Forderungen heraus: 

•    Anregende Inputs von guten Referent*innen, umsetzbar im Alltag.
•    Keine neuen belastenden Projekte für die Schulentwicklung.
•    Teambildung soll grosse Bedeutung zugemessen werden.

Aufgrund dieser Resultate und der vorangehenden Diskussionen beschloss die SG SE&Q die Weiterbildungsveranstaltung dem Thema «Wohlbefinden als Grundlage für gute Unterrichtsqualität» zu widmen. Das Organisationsteam nahm die Entwicklung eines Gesamtkonzepts und die Suche nach inspirierenden Referent*innen in Angriff.  Gut geeignete Kursräume, zusätzlich nutzbare Aussenräume sowie Unterbringung und Verpflegung auf gutem Niveau schufen eine positive Atmosphäre und gute Voraussetzungen für die Bearbeitung der Themen und Inhalte.

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Inspirierende Referent*innen

Nach der Eröffnung durch Rektor Paul Zübli begann die Tagung mit einem Referat von Dr. med. Dieter Kissling, Leiter des Instituts für Arbeitsmedizin in Baden. Sein anregendes Referat zum Thema «Ressourcen sparen im Lehrberuf» ging aus von den zunehmenden psychischen Belastungen der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert und deren gesundheitlichen Folgen. Mit vielfältigem statistischem Material belegte er die Zunahme des Stressempfindens in der arbeitenden Bevölkerung, die vermehrten Langzeiterkrankungen («Burn-outs») und deren volkswirtschaftliche Kosten. In Bezug auf die Lehrpersonen zeigte er auf, dass auch hier die Stressfaktoren massiv zugenommen haben. Gerade die Kombination von hoher Motivation und zunehmender Belastung führt dazu, dass jede 3. Lehrperson Burn-out gefährdet ist. 

Kissling erläuterte detailliert die neuronalen Auswirkungen von Stress und dessen Symptome am gesamten Körper. Die personenbezogenen Ursachen liessen einige Lehrpersonen aufhorchen: Hoher Leistungsanspruch, Idealismus, Schwierigkeiten «Nein» zu sagen, Überidentifikation mit der Arbeit sind neben dem Druck von aussen häufige innere Risikofaktoren für einen langfristigen Burn-out-Prozess. Besonderen Eindruck machte die wissenschaftliche Messung von Stresszuständen, die Dr. Kissling anhand von zahlreichen Fallbeispielen aus verschiedenen Berufen, aber mit besonderem Fokus auf Lehrpersonen veranschaulichte. Nach dem Hinweis auf die sehr lange Dauer der Rekonvaleszenz bei Burn-outs schloss das Referat mit praktischen Handlungsempfehlungen für das Individuum (Bewegen, Schlafen, Mikropausen, soziale Kontakte, innere Stressverschärfer reduzieren) und für die Führung der Organisation Schule (Wertschätzung, Respekt, fachliche und soziale Unterstützung, Beobachten des individuellen Verhaltens der Mitarbeiter*innen).

Am Nachmittag sprach Diego Hangartner, Gründer des Institute of Mental Balance and Universal Ethics, über Techniken für mentale Ausgewogenheit. Er berichtete über seinen eigenen Werdegang als Pharmazeut, seine Arbeit im Suchtbereich und in einem Hilfsprojekt in Nepal. Letzteres führte ihn zu einem 11-jährigen Aufenthalt in Dharamsala, Indien, verbunden mit einem Studium of «Buddhist Dialectics». In Indien arbeitete er eng mit dem Dalai Lama zusammen, übersetzte Schriften aus dem Tibetischen und organisierte anschliessend grosse Veranstaltungen mit dem geistigen Oberhaupt der Tibeter in Deutschland und der Schweiz. Zudem beteiligte er sich als Langzeitmeditierender an neuro-wissenschaftlichen Forschungsprojekten. In seinem Referat «Innere Ressourcen für das Wohlbefinden» zeigte er auf, welche Wirkung Meditation auf den Körper und Geist erzielen kann. Damit verbunden waren auch praktische Übungen mit dem Kollegium der KSWE. In zwei anschliessenden Workshops vertiefte er diese Erfahrungen mit interessierten Lehrpersonen.

Am Freitagmorgen wurde das Wohlbefinden der Schüler*innen in den Fokus gerückt. Frau Dr. Miriam Engelhardt erweiterte aus der Sicht der Soziologie die Generationenkompetenz des Kollegiums. Das Verständnis der Unterschiede zwischen den Generationen verbessert die Fähigkeit, junge Menschen in ihrer Entwicklung und Ausbildung zu begleiten. In sehr anregender Weise und mit zahlreichen Fallbeispielen zeigte sie typische Denk- und Verhaltensmuster der Generationen «Babyboomer», «X», «Y» und «Z» auf. Dabei machte sie deutlich, dass diese Verhaltensweisen immer eine Reaktion auf die Herausforderungen des jeweiligen historischen gesellschaftlichen Umfelds darstellen. Die Lehrkräfte hatten die Möglichkeit, ihre eigene Persönlichkeit in Bezug zu den generalisierten Typen zu setzen und ihr Verhalten zu reflektieren. 

Inwiefern die aktuelle nach 2000 geborene Jugend als Generation «Z» sich bereits wesentlich von der vorgehenden Generation «Y» unterscheidet, ist umstritten. Für die Lehrkräfte relevant ist in erster Linie der beratende, verständnisvoll coachende Erziehungsstil, den die Schüler*innen in der Kindheit erlebt haben. Dies prägt auch die Erwartungen an die Lehrpersonen, bei denen sie Beziehung und Authentizität suchen. Diese sollen sie bei psychischen Belastungen unterstützen und ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Zudem ist diese Jugend zunehmend aktiv, international vernetzt und politisch engagiert.

Im Anschluss an ihr Referat diskutierte Frau Dr. Engelhardt mit dem Kollegium praktische Fallbeispiele aus dem Alltag, in denen Generationenkompetenz für einen reflektierten und kompetenten Umgang mit Konfliktsituationen genutzt werden kann. 


Teambildung in Workshops

Damit nicht nur die intellektuelle Seite des Kollegiums angesprochen wurde und der teambildende Aspekt der Weiterbildung nicht zu kurz kam, fanden am späteren Donnerstag- und am Freitagnachmittag Workshops mit aktiver Teilnahme der Lehrpersonen statt. Zahlreiche Lehrpersonen machten entsprechende Angebote an die Kolleg*innen. So gab es Aktivitäten verschiedenster Art: Salsa-Rueda, Boule-Turnier, Yoga, Meditation, Qi Gong, Bodypercussion, Jonglieren, Lauftraining, Velotour, Wanderung, Nordic Walking, Gedächtnistraining, Sprachkurs Tuimbe kwa furaha – Lieder aus Tanzania, Cherokee Dance of Life. Mit viel Engagement und Spass brachten sich die Leitenden und Teilnehmenden in die vielfältigen Kurse ein.

Die vielen positiven Feedbacks der Teilnehmenden zeigen, dass die KSWE auf eine gelungene Fortbildungsveranstaltung zurückblicken kann. Auch wenn bewusst keine grossen neuen Projekte aufgegleist wurden, wird sie dennoch nicht nur im individuellen Verhalten der Lehrpersonen Wirkung entfalten. Die Schulleitung hat bereits zugesichert, dass sie Lehrpersonen, welche eine Stressanalyse durchführen möchten, unterstützen und verstärkt Führungsverantwortung bezüglich stark belasteten Lehrpersonen wahrnehmen wird. Auch über eine Weiterführung der Ansätze von Diego Hangartner und Miriam Engelhardt wird nachgedacht.

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