On stage

Brahms‘ Deutsches Requiem

Text: Jan Erik Antonsen
Bilder: Roland Herzog

Auch dieses Jahr wagte sich der Chor an ein grosses Werk der Chorliteratur: Brahms‘ Deutsches Requiem.

 Nachdem die Einübung ins Werk schon einmal wegen der Corona-Pandemie hatte abgebrochen werden müssen, war es im Mai so weit: Der Chor der Kantonsschule Wettingen, insgesamt über hundert Sängerinnen und Sänger, bestehend aus Schülern und Schülerinnen der 2.-4. Klassen des Gymnasiums und der Fachmittelschule, von Ehemaligen und (einigen wenigen) gesangsbegeisterten Lehrkräften, dieses Mal noch verstärkt durch das Vocalino Wettingen, brachte, wiederum unter der Leitung von Cristoforo Spagnuolo, das Deutsche Requiem zur Aufführung: zunächst an zwei Abenden in der Klosterkirche und dann, am letzten Abend, in der Reformierten Stadtkirche von Brugg. Alle drei Aufführungen waren ausverkauft. Begleitet wurde der Chor vom Stella Maris Orchestra (das unter der Leitung von Renate Steinmann steht, Violinlehrerin an unserer Schule), als Solisten wirkten Nicole Wacker (Sopran – eine ehemalige Schülerin der Kantonsschule, die derzeit an der Mailänder Scala tätig ist) und Markus Volpert (Bariton). Der Choraufführung voraus ging eine Aufführung (der Kammerorchesterfassung) des sechsten Satzes („Der Abschied“) aus Mahlers Lied von der Erde, mit Anne Heffner (Alt, Gesangslehrerin an unserer Schule) in der Solistenrolle.

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Ein deutsches Requiem, 1868 vom damals fünfunddreissigjährigen Johannes Brahms fertiggestellt, ist ein in vielerlei Hinsicht besonderes Werk: Das Werk, das als Requiem als musikalische Umrahmung der Liturgie der Totenmesse der katholischen Kirche dienen sollte, wurde von einem Protestanten komponiert und die Texte, die Brahms verwendete, stammen nicht aus dem traditionellen Kanon für die Totenmesse, sondern sind von Brahms aus Texten des Alten wie Neuen Testaments frei ausgewählt und miteinander verknüpft worden (wobei ausgerechnet von Christus, dem Erlöser, nie die Rede ist); zudem werden sie nicht lateinisch vorgetragen, wie es die Liturgie vorschreiben würde, sondern deutsch (sie stammen aus der Übersetzung der Lutherbibel). Nicht der christliche Erlösungsgedanke steht da im Zentrum, es geht vielmehr um die Lebenden, die Trauernden, diejenigen, die zurückbleiben: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“, mit diesen Worten des Matthäus-Evangeliums beginnt der erste Satz. Die Lebenden sollen sich mit der Vergänglichkeit, auch ihrer eigenen, auseinandersetzen: „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“, heisst es dann im zweiten Satz. Es geht also in diesem Werk um das, was wahrscheinlich am schwersten auszuhalten ist: die Endlichkeit des eigenen Daseins und die Gewissheit des Abschieds. Musikalisch ist das hinreissend. Denn Brahms wusste (und jeder Zuhörer der Aufführung hat es erfahren): „Es gibt keine vergänglichere Kunst als die Musik, in der jeder Klang wieder vergehen muss“ (wie es Sina Dell’Anno im Begleitheft zur Aufführung zum Ausdruck gebracht hat). 


Man darf wohl mit Fug sagen: Es gibt nur wenige Schulchöre, die sich die Aufführung eines solchen Werks zutrauen und in einer so hohen Qualität auch umsetzen. Dies ist nicht zuletzt (oder eigentlich in erster Linie) das Verdienst von Cristoforo Spagnuolo, unserem Kapellmeister, der es immer wieder schafft, mit grosser Umsicht und Geduld einen in immer wieder neuer Zusammensetzung sich präsentierenden Schulchor für immer wieder neue Höchstleistungen fit zu machen. 

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