On stage

Atempause im Advent

Text und Bilder : Martin Rizek

Nicht nur an Weihnachten wird an der Kantonsschule Wettingen russisch gesprochen. Das Freifach Russisch, das in der 3. und 4. Klasse des Gymnasiums belegt werden kann, beteiligt sich praktisch jedes Jahr an dem stimmungsvollen Anlass im Dezember, indem ein Gedicht oder ein Lied meistens von einer Gruppe Schüler*innen vorgetragen wird.

Die Gelegenheit zur Besinnung lässt sich auch mit fachspezifischen pädagogischen Zielen gut verknüpfen. Selbst wenn die sprachliche Schwierigkeit der Texte meistens weit über den Kenntnissen der Schüler liegt (ausser bei denen mit russischem bzw. slawischem Hintergrund), stellt der «Auftritt» und vielmehr noch dessen Vorbereitung im Unterricht eine willkommene Abwechslung und Herausforderung dar, zunächst im Bereich der Lesefertigkeit und der Aussprache. Diese kann oft anhand der unzähligen Aufnahmen geübt werden, welche im Internet zu finden sind, was wiederum vom ganz speziellen Stellenwert der ausgewählten Texte und der Poesie an sich in Russland zeugt. Gleichzeitig ermöglichen die verschiedenen Beiträge kleine Exkurse in die russische Literatur- bzw. Kulturgeschichte.

Vielschichtige Weihnachtstradition

Ein typisches russisches Weihnachtslied wird gesucht? Da kann man immer auf das berühmte Kinderlied «Ein Tannenbäumchen ist im Wald geboren» zurückgreifen. Dass gerade dieses Anfangs des 20. Jahrhunderts entstandene Lied in der Sowjetzeit so verbreitet und beliebt wurde – an einem Fest, das eine Zeitlang ganz verboten war und später mit dem säkularen Neujahrfest verschmolz – liegt an dessen «religiöser Neutralität».

Wenn man hingegen ein «echtes» Weihnachtslied finden will, so kann man auch aus der ukrainischen Tradition der Weihnachtslieder schöpfen und gleichzeitig – das Lied «Allreine Jungfrau» wurde 2019 auf ukrainisch gesungen – auf die Sprachgeschichte in Osteuropa sowie die sprachlichen Grenzen in der Ukraine hinweisen, welche sich bis heute in den politischen Spannungen im Lande bemerkbar machen.

###IMG###

Sprachliche Schönheit und politische Realität

Obwohl die Religion in der Sowjetunion ein Tabu war, haben viele Dichter sich im Privaten mit dem christlichen Glauben befasst. Schon mehrmals erklangen in der Atempause Verse von Joseph Brodsky (1940-1996). Diese Wiederholung ist auch eine Art das «Lebensprojekt» Brodskys zu würdigen, regelmässig zum Jahresende ein Weihnachtsgedicht zu verfassen – oft in einem sehr prosaischen Stil, hinter dem der harte Alltag des kommunistischen Regimes durchscheint (Weihnachtsgedichte, Carl Hanser Verlag, 2004, aus dem Russischen von Alexander Nitzberg). Der Nobelpreisträger (1987) wurde 1972 aus seiner Heimat ausgewiesen und starb im amerikanischen Exil.

2018 haben wir das Gedicht «Weihnachtsstern» von Boris Pasternak (1890-1960) vorgelesen. Auch er wurde – insbesondere nachdem sein Roman «Doktor Zhivago» 1958 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde – in Russland ideologischem Terror ausgesetzt und starb wenige Jahre später.

Die Weihnachtsthematik erlaubt uns also den Schüler*innen zwei zentrale Aspekte der russischen Kultur näher zu bringen: die Schönheit der russischen Sprache und Literatur einerseits, die oft tragische politische bzw. gesellschaftliche Realität des grössten Landes der Welt andererseits. Ausserdem bieten die dunklen Morgenstunden eine gute Gelegenheit den Samowar anzustellen und einen warmen Tee zu trinken …

Weitere Artikel

Nach einem Jahr Pause konnte erstmals wieder ein Konzert an der KSWE stattfinden

zum Artikel

Ausstellung der Abschlussarbeiten des Schwerpunktfachs Bildnerisches Gestalten im Gluri Suter Haus in Wettingen

zum Artikel

Eine besondere Ausgabe der Tanz- und Akrobatik-Show

zum Artikel

Die Fussballer der KSWE gewinnen die diesjährige Aargauer Fussball Mittelschulmeisterschaft

zum Artikel

Pandemiebedingt war in diesem Schuljahr vieles völlig anders

zum Artikel

Wir gratulieren unseren Schüler*innen zu ihren grossartigen Erfolgen!

zum Artikel

Nach einer langen Pausen erklangen in der Klosterkirche und in der Aula wieder Werke alter Meister

zum Artikel