Hello & Bye-Bye

Zur Pensionierung von Ursula Rutishauser

Text: Antonia Camponovo
Bild: Roland Herzog

Kleine Bärin, grosse Freundin, Künstlerin, besondere Kollegin – und Mensch mit der Gabe der Verwandlung. Du hast viele Facetten, ich kann – im Namen der Fachschaft – höchstens einige davon beleuchten. 

Es gäbe da die Möglichkeit der chronologischen Erzählung:
Geboren in, Tochter, Schwester, Frau, Mutter von, gefördert durch, tätig als – aber das alles fasst Dich nicht, trifft keinen Kern. Es wäre der hilflose Versuch, ein Arbeitsleben als logische Folge von äusseren Gegebenheiten zu sehen. Und übersieht Dich als Menschen.

Die andere Möglichkeit wäre, die Äusserlichkeiten, die äusseren Umstände aufzuzählen:
Ursula, Du hast das Zollhaus schon als Schülerin erlebt, Du warst mit einem Atelierstipendium in Barcelona – einer Deiner verschiedenen Mit-Heimaten. Du hast Vibraphon an der Jazzschule studiert, hast jahrelang im Klosterchor mitgesungen. Die Musik begleitet Dich. 

Deine Töchter haben Dich von klein auf mit einer Selbstverständlichkeit im Atelier erlebt, das hatte sicher einen Einfluss auf ihre eigenen künstlerischen Laufbahnen. Und Ursula, das muss jetzt auch mal gesagt sein: Du kannst hervorragende Butterkekse backen. Und doch: Was bin ich – und mit mir hunderte von Schüler*innen – froh, dass Du die Prioritäten anders gesetzt hast ...  

Ich kann nur ahnen, was das damals bedeutet hat, als eine der wenigen – oder gar einzige? – Frau im Kollegium mit Familie: drei Berufungen: Unterrichten, Familie und Kunst. Das bedeutet viel Angriffsfläche und an der Perfektion auf allen Ebenen zerbricht sich allzu leicht. Du hast das erkannt. Und gibst mir – uns – die wichtige Erkenntnis mit: Tiefkühl-Chäschüechli zum Zmittag hindern Kinder nicht daran, zu grossartigen Menschen heranzuwachsen.

Es wäre verlockend, das Zerbrechliche Deiner Kunst hervorzuheben. Ich sehe beides: 
Über Deine Kunst heisst es immer wieder, sie sei filigran. Ich sehe die kompromisslosen Schnitte, die Kraft, die ihr innewohnt. Das setzt innere Klarheit voraus. Und eine Unbestechlichkeit auch gegenüber der eigenen Arbeit.

Du bist Künstlerin, da ist kein Platz für Zweifel. Während sich viele Deiner Kolleg*innen in koketten künstlerischen Selbstzweifeln verlieren, weisst Du: Das ist mein Raum. Er wird mir nicht gegeben, ich nehme ihn mir. Und halte dabei Arme und Augen offen, und lasse die anderen neidlos daran teilhaben.

Das bewundern wir an Dir: die Neidlosigkeit, die nur haben kann, wer sich selbst gewiss ist. Dass Du eine Mutmacherin bist. Du glaubst an jede / an jeden, bestärkst alle darin, etwas Eigenes zu entdecken und zu entwickeln. Da ist kein verkopftes pädagogisches Konzept, das ist Deine Erfahrung und Deine Überzeugung. Keine gönnerischen Worte, keine laute Stimme, einzig Respekt. 
Respect, Ursula.

Bei den allgegenwärtigen Diskussionen um Lernformen, Lernziele und Kanti 50 Plus gerät ein Aspekt leicht in Vergessenheit: Die Schule als Schutzraum. Das hast Du immer ernst genommen, wohl aus eigener Erfahrung.

Ein Raum, die Gegenstände, alles ist beseelt. Alles ist Geschenk. Wer schon von Dir mit einer Gabe bedacht worden ist, erkennt: Da ist kein Zufall, jede Tüte, jedes Geschenkpapier ist mit Bedacht gewählt. Du schätzt das Schöne und lässt die Dinge leuchten in einer eigenen Weise, die nichts mit Status oder Markengläubigkeit zu tun hat.

Es gibt kein passendes Wort für diese Gabe. Ursula, du urseelst die Dinge, Du beseelst sie auf Deine einzigartige Weise. Soviel ist von Dir urseelt. Was, das sei hier angemerkt, durchaus seine Tücken haben kann. Was macht man beispielsweise mit hunderten urseelten Du- Heften im Fachschaftszimmer? Seis drum, was Du uns mitgibst ist nicht in erster Linie materieller Art.

Du verbirgst Deine Verletzlichkeit nicht, sondern verwandelst sie in etwas Kraftvolles. 
Du lebst die Überzeugung, dass gerade die Jugendlichen den inneren und äusseren Raum brauchen, um Haltungen zu entwickeln.

Ursula, was Du machst, machst Du mit Präzision und Leidenschaft. Halbheiten sind nicht Dein Ding. Wir fürchten höchstens etwas: Deinen Charme.

Wir werden die von Dir organisierten Fachschaftsausflüge, die Museumsbesuche vermissen. Es waren die immer die besten Orte, mit Atmosphäre, Stil und dem gewissen Etwas. Du hast uns sozusagen kuratiert, bestens vernetzt mit der Dir eigenen Herzlichkeit. Trag ihm Sorge, deinem tapferen, Deinem grosszügigen Herzen.

Ursula, lass uns viele gelbe Taschen kaufen, lass Dir von Deiner Fachschaft schmeichelnde, grünumrandete Schals um den Hals legen und Klappstühle aufstellen. Nimm Platz am roten Tischchen auf dem weichen Kissen.

Und: Nimm ihn in Anspruch, Deinen «Room of your own», wir besuchen Dich dort, versprochen.

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