Es gibt Orte auf der Klosterhalbinsel, wo vermutlich noch niemand war – mit Ausnahme von Daniel Schwab.
Wir schreiben das Jahr 2004 im Logbuch der Kantonsschule Wettingen. Dienstagmorgen, mitten im Juni, kurz nach halb vier in der Früh. Ein Securitas-Mann fährt auf seiner Kontrollrunde hinunter zur Spinnerei, stoppt, zieht Luft durch die Nase: Rauch. Überall, aus dem Dachfirst, aus dem Anbau, aus dem Nebengebäude. Weisse Schwaden wabern im hellen Strahl der Stablampe. Kurz später steht eine Hundertschaft von Feuerwehrmännern auf dem Platz, und Daniel Schwab. Er ist der einzige, der gelassen bleibt, er ist der einzige, der sich in den verwinkelten Gängen auskennt, und er hat die Schlüssel, als einziger. Treffer! In einem der vielen Räume mottet ein Glutnest im Gebälk. Hurra, die Schule ist nicht abgebrannt!
Das war meine erste Begegnung mit dem Chef Hausdienst der Kantonsschule Wettingen. Beeindruckend. Ein paar Jahre später wurden wir Arbeitskollegen. Er mit fast zwei Jahrzehnten Erfahrung auf dem Buckel, ich als absolutes Greenhorn, was die Geheimnisse der Klosterhalbinsel anging. Überraschungen in bald 800 Jahre alten Häusern gehören zum Alltag, oft finden sich die Problemlösungen in verborgenen Gängen und Nischen. Was die Baupläne nicht zeigen, kennt Daniel Schwab garantiert. Ventile im Boden, versteckte Schalter, undokumentierte Installationen, gekappte Rohre, unergründliche Schächte, Schwab weiss Rat, und wir staunen. Sein Wissensvorsprung ist gross geblieben, unaufholbar. Nun wird es noch schwieriger. Er ist Rentner, eigentlich schon seit einem Jahr, aber doch noch nicht so richtig. Zum Glück.
Wohlbefinden dank Traumjob
Was machte er eigentlich in seinen 23 Dienstjahren als verantwortlicher Hauswart? Er wohnte im Schulhaus, trug aber nie den blauen Arbeitskittel des klassischen Schulhausabwarts. Er schimpfte nur selten mit den Schüler*innen, reagierte, agierte und handelte aber sofort, wo's nötig war. Viele Jobs, eine Person: Troubleshooter, Supporter, Help-Desker, Coach, Chrampfer oder eben Master of Desaster. Wenn etwas schieflief, so stand er da, egal ob mitten in der Nacht oder zur Mittagszeit. Hilfsbereit, erfahren, abwägend und immer zielorientiert, zugunsten der Schule und aller, die zur Schule gehören. «Ein Traumjob mit einem hohen Grad von Wohlbefinden», sagt Daniel Schwab, und wir glauben es ihm.
Meistens war es toll, oder sogar einmalig. Ein Arbeitsplatz und Wohnort inmitten von Geschichte und historischen Gebäuden, eng vernetzt mit Schüler*innen, Lehrpersonen, Handwerker*innen, Gärtner*innen und Bauleuten. Ein herrlicher Park, ein Barockgarten mit seltenem Gemüse und Kräutern, der spektakuläre Blick auf die Limmat, und dann noch die Bienen. Ja, Daniel Schwab ist ausgebildeter Imker. «Für mich stimmte einfach alles, bis auf ein paar ganz seltenen Ausnahmen.» Zum Beispiel? Da war eine unschöne Geschichte während einer Sonafe-Nacht: Prügelnde Jugendliche griffen den Chef Hausdienst an und schlugen ihn nieder. Oder der Dauerbrenner Littering: «Wenn jemand Zigarettenstummel auf den Boden wirft, einfach so, dann werde ich laut.» Zur Schule gehört eben auch Erziehung.
Auf See im Maschinenraum
Ursprünglich absolvierte der junge Schwab eine Lehre als Maschinenschlosser im Hause BBC Brown Boveri und Cie. in Baden. Dann zog es ihn hinaus aufs weite Meer. Als Maschinist heuerte er in der Schweizer Handelsflotte an und fuhr zur See. Abenteuer pur, aber auch harter Alltag fern der Heimat, Daniel Schwab erzählt gerne Seemannsgeschichten. Doch auf die Dauer waren die Wellen zu hoch. Zurück an Land folgten 15 Jahre Mitarbeit in einem Industriebetrieb, der automatisierte Lagersysteme produzierte. Eine temporäre Konjunkturflaute sorgte für Kurzarbeit, Umstrukturierungen folgten, das Stelleninserat der Kantonschule Wettingen kam zur rechten Zeit. Arbeitsbeginn 1. Oktober 1996 und «ab dann gab es keinen Grund mehr zu wechseln.» Einverstanden, und herzlichen Dank für die Treue!