On stage

Bach ganz leise

Text: Stefan Müller, Martin Pirktl
Bilder: Martin Rizek

In der Klosterkirche Wettingen ist ein bisher nahezu unbekannt gebliebener Schatz vorhanden: eine reichhaltige Instrumentensammlung von barocken bis hin zu romantischen Tasteninstrumenten. An diesem Ort treffen verschiedene wichtige Anliegen zusammen: die zurzeit vermehrt diskutierte, drängende Frage der Tempowahl, eine hervorragende Akustik und Atmosphäre sowie ausgewählte Instrumente der Sammlung.

Bei den Konzerten werden verschiedene Räume des Chorbereiches der Klosterkirche in das Konzept einbezogen: der Raum des Chorgestühles, die Seitenkappelle mit ihrer Treppe zum Hauptgebäude sowie der Altarraum. Die besondere Atmosphäre dieser Räume wird durch die Verwendung von Kerzenlicht verstärkt.

Schmuckstück unserer Sammlung ist ein Tafelclavier von J. Broadwood aus dem Jahre 1806. Der Klang dieses edlen Instrumentes verschmilzt ideal mit der romantischen Gitarre nach L. Panormo. Nebst dem Tafelclavier kommen das Clavichord und der Hammerflügel zu Gehör. Das Clavichord gewährt ein extremes Pianissimo; dabei hat der Clavierspieler die für Tasteninstrumente einzigartige Möglichkeit, durch Bebung der Taste eine Intensivierung des Einzeltones zu erlangen. Es entsteht ein Vibrato, welches die von Bach geforderte «cantable Art des Spieles» ermöglicht. Beim Hammerflügel wird durch Verschiebung der Tastatur und Hinzufügen eines Dämpfungsfilzes ebenfalls der Pianobereich ausgelotet, wobei sich zusätzlich die Klangfarbe stark verändert.

Bei der Gitarre wird diese Klangdifferenzierung durch verschiedene Anschlagsarten hervorgebracht.

Die Instrumentenwahl ist von entscheidender Bedeutung für die Ausdifferenzierung der durch die ruhigen Tempi erreichten musikalischen Erlebniszeit. Ausserdem ermöglichen die stark divergierenden Klangbilder eine belebende Abwechslung des Höreindrucks, wodurch der Gefahr der Monotonie durch den engen Dynamikbereich entgegengewirkt wird. Schliesslich wird dem Bedürfnis Rechnung getragen, einem historisch interessierten Publikum ein authentisches Klangerlebnis zu ermöglichen.

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Bisher wurden hauptsächlich Werke von J.S. Bach interpretiert. Daneben kamen auch die Bach-Söhne und -Bearbeiter zu Wort: I. Moscheles, C. Reinecke, R. Schumann, M. Reger und J. Rheinberger.

Von Bach haben wir Brandenburgische Konzerte, Instrumentalkonzerte, das Musikalische Opfer, diverse Fantasien, Praeludien und Fugen, eine Auswahl der Goldbergvariationen sowie sämtliche Inventionen aufgeführt.

Seit 2015 wurden fünf erfolgreiche und gut besuchte Zyklen «Bach-ganz leise» durchgeführt. In dieser Zeit und an diesem Ort sind zwei CDs entstanden, zuletzt Bachs «Musikalisches Opfer». Die dritte CD mit Bachs «Zwei- und dreistimmigen Inventionen» wird im Zyklus im August 2020 präsentiert.

Neben den beschriebenen Instrumenten stellen wir in jedem Zyklus weitere Raritäten vor. So kamen das Lautenclavier, von dem weltweit nur zwei Exemplare existieren, verschiedene Cembali und ein historisches Harmonium zum Einsatz. Beim nächsten Zyklus präsentieren wir eine Mustel-Celesta aus dem 19. Jahrhundert. In Entwicklung befindet sich ein Cembalo mit Darmsaiten, welches über einen lautenähnlichen Klang verfügen wird.

Infolge der Planungsunsicherheit werden dieses Jahr nur zwei Konzerte durchgeführt. Bei diesem Anlass wird die neue CD «J.S. Bach: Zwei- und dreistimmige Inventionen» vorgestellt. Im Zyklus 2021 widmen wir uns den Orgelpraeludien und Fugen sowie den Fantasien und orientieren uns in der Tempowahl an den Angaben von F. Griepenkerl aus dem Jahre 1845.

In den Konzerten 2021 werden zwei neue Tasteninstrumente vorgestellt; die Celesta (Glockenspiel) der Firma Mustel um 1900 und ein Lautencembalo, bespannt mit Nylonsaiten.

 

Dreistimmige Invention in g-Moll, gespielt auf Clavichord und Panormo-Gitarre:

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