Hello & Bye-Bye

Zur Pensionierung von Werner Bänziger

Text: Irène Wehaiba und Jan Erik Antonsen
Bilder: Martin Rizek

Wie kann man einen Menschen besser kennen lernen?
Vielleicht, indem man einen Blick in die Räume wirft, die seine Umgebung darstellen, die er gestaltet und geprägt hat.

Werfen wir zuerst also einen Blick in Werners Schulzimmer. Auch wenn man ihn nicht kannte: Wenn man dieses Zimmer betrat, lernte man ihn kennen, den Unterrichtsstil, den er pflegte, das Verhältnis zu den Fächern, die er unterrichtete, und – nicht zuletzt – die Haltung, die er gegenüber den Lernenden einnahm, die er betreute.

Das Zimmer war einladend eingerichtet. An den Wänden nicht nur Poster, sondern auch Gemälde aus seinem privaten Besitz. In einer Ecke war eine Gitarre abgestellt – vielleicht eine Erinnerung an den ehemaligen Volkschullehrer, der sein Instrument brauchte, um mit der Klasse ein (politisches?) Lied zu singen?
Und dann die Bücher. Es waren sehr viele Bücher, eine kleine Bibliothek, etwa mit politischen Werken zu Marx, Mao, Hitler und vielen anderen. Dazu Bildbände und Nachschlagewerke. Grosse Literatur neben schönen Bildern. Nichts hinter Glas. Alles bereit, in die Hand genommen zu werden. Man sollte seiner Neugierde nachgehen können. Werner weiss: Neugierde führt, irgendwann einmal, zu Wissen.
Auch fehlte es nicht an kleinen Provokationen auf politischen Plakaten – dies auch VOR dem Schulzimmer, sozusagen als Präludium für das, was dann kommen sollte.

Nach dem Blick in dieses Zimmer wusste man: Da wirkt ein Mensch, der kulturell und politisch mitdenkt, ein Lehrer, der seine Schülerinnen und Schüler zum Lernen verleiten will, statt sie dazu zu zwingen.

Werner ist im Kanton Zürich geboren. Dort ist er auch zur Schule gegangen. Er war wohl kein einfacher Schüler, einer, der viele kritische Fragen gestellt und sich gegen das Etablierte und Konventionelle gestemmt hat. Wenn man ihn später als Lehrer auf «schwierige» Schüler oder Schülerinnen ansprach, hat er immer viel Verständnis gezeigt für diese jungen Menschen, die sich nicht so einordnen wollten, wie unsere Institution es von ihnen erwartete. Dabei hat er sich wohl an seine eigene Schulzeit erinnert. Werner wusste, dass man jungen Menschen Raum lassen muss zum Fragen, auch zum Anecken, dass man Geduld haben muss mit ihnen, auch wenn ihre Haltungen und Meinungen unausgereift oder radikal sind.  

Nach der Matur entschloss sich Werner, Lehrer zu werden. Er wollte seinen Beitrag für die Gesellschaft in dieser Form leisten, er wollte helfen, die Menschen weiter zu bringen, das «Volk» zu bilden. Werner besuchte die Höhere Pädagogische Lehranstalt (HPL) in Zofingen und wurde Primarlehrer.  Er unterrichtete anschliessend an der Realschule – heute würde man sagen: an der Sek-I. Das hiess auch, dass er für sehr viele Fächer zuständig war – von allem ein bisschen, nichts richtig vertiefend. Zu den fachlichen und pädagogischen Anforderungen kam auch Sozialarbeit. Als Lehrer musste er ein Alleskönner sein. In der Länge war das nicht befriedigend.

Werner war auch politisch aktiv, schnupperte am Journalismus, stieg vorübergehend aus dem Lehrerberuf aus und war Redaktor beim SP-Organ «Freier Aargauer».

Es folgte das Germanistik- und Geschichtsstudium an der Universität Zürich. Was er als Lehrer und Journalist erfahren hatte, wurde jetzt auf einer reflektierenden Ebene weiterverfolgt. Im Zentrum seines Interesses stand weiterhin der Mensch. Werner widmete sich der Bildung nun auf wissenschaftlicher Ebene. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit den Autobiographien von Pestalozzi, Zschokke und Wessenberg – alles Persönlichkeiten, die wesentlich zur Entwicklung der Volksschule beigetragen haben.

Werners Engagement für die Gesellschaft zeigte sich auf vielen Ebenen. Als Humanist verliess er die Sphären der Wissenschaft wieder, um gesellschaftlich zu wirken, zu unterstützen und zu helfen, Hand anzulegen. In der Politik, wo er sich als Mitglied des Erziehungsrates engagiert für die Schule einsetzte. Oder auch ganz tatkräftig als Feuerwehrmann, der es nicht lassen konnte, mit kritischem Auge zu analysieren, was um ihn herum geschah.

Werner Bänziger nahm im August 1993 seine Lehrtätigkeit in Wettingen auf. Er kam mit reichen Erfahrungen und mit dem Bedürfnis, diese weiterzugeben. Im Unterschied zu seiner pädagogischen Anfangszeit konnte er nun mit den Schülerinnen und Schülern Themen, Fragestellungen, Ideen vertiefen. Er hat dies immer mit grossem Respekt vor den Lernenden gemacht, hat sein Wissen und Können grosszügig zur Verfügung gestellt um – so hoffte er – die jungen Menschen in ihrem Leben weiterzubringen.


 

Abschiedsgeschenk

In diesem Geiste kann auch sein Abschiedsgeschenk an uns alle gelesen werden: Werner ermöglichte es uns, Wolf Biermann an unserer Schule zu hören. Die Geschichte Europas bekam ein Gesicht und eine Stimme, wurde lebendig. Sie erreichte die Herzen – und auch die Köpfe – der Zuhörenden.

###IMG###

Nach Pestalozzi kann Bildung ein Heilmittel sein für eine aus den Fugen geratene Welt.
Dieses Heilmittel sollte möglichst vielen zur Verfügung stehen.

Dafür hat sich Werner eingesetzt. Wir wünschen ihm, dass er dies auch weiterhin tun kann.