Fokus

Künstlichkeit in der Gestaltung

Interview: Stefanie Nydegger
Bild: Antonia Camponovo/KI

Anina Pizzolato unterrichtet Bildnerisches Gestalten und Medienkunde an der Kanti Wettingen. Mit ihr habe ich über die Begriffe Natürlichkeit und Künstlichkeit sprechen dürfen.

Künstlich, natürlich! Natürlich künstlich. Anina, kann man diese Begriffe in deinem Metier voneinander unterscheiden?

Es gibt ja die extremen Pole, wobei die einen behaupten, alles sei künstlich, die anderen das pure Gegenteil, nämlich alles sei natürlich. So einfach ist es mit Sicherheit nicht.
 

Magst du uns ein Beispiel zu diesem Gedanken erläutern?

Was ich spannend finde, sind Themen wie die Gartengestaltung, in der Natur zurechtgestutzt oder neuerdings auch möglichst naturbelassen konzipiert wird. Dort sind diese beiden Begriffe ineinander verwoben. Spannend finde ich auch die künstlichen Elemente, die in einem Zoo sichtbar werden. Im Zoo wird versucht, die Natur passend nachzubilden. So wird beispielsweise für ein Elefantengehege, Vegetation aus einem fernen Lebensraum imitiert, so dass dieser möglichst natürlich aussieht und die Besucher die Dickhäuter in einer ihnen angepassten Savannenlandschaft erleben. Diese Nachbildung funktioniert wahrscheinlich deswegen so gut, weil davor der ursprüngliche Lebensraum intensiv studiert wurde, bevor man diesen dann künstlich wiedergegeben hat. Trotz dieser Bemühung um Natürlichkeit weiss die erwachsene Zoobesucherin haargenau, dass diese Landschaft künstlich hergestellt ist.

 

Das leuchtet mir ein. Was sind aus deiner Perspektive natürliche Elemente in diesem Zusammenhang?

Es gibt in der Kunst den Begriff der schönen Landschaft. Darin fällt eigentlich alles weg, was es in der Natur gibt wie bspw. Abfall. Das Unerwartete, das Überraschende wird durch diesen Zugang weitestgehend entfernt. Das Zufällige wird minimiert, um das Bild der Natur zu optimieren. Dies kann analog zur Schaffung des künstlichen Raums eines Zoos gesehen werden.
Letztlich habe ich eine Ausstellung besucht, die Naturbedrohungen ins Zentrum rückte. Es wurden Naturbedrohungen inszeniert, die aber nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar waren. Trotzdem war das Gefühl der Gefahr von Beginn an spürbar, alles vibrierte, man fühlte sich unwohl in diesem Raum. Die Künstlerin hatte mit Dinge aus der Natur gearbeitet, diese zugespitzt, jedoch keineswegs plakativ, wiedergegeben, so dass dieses Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins entstehen konnte. Auch hier wurde alles Zufällige weggelassen, alles erschien übertrieben zugespitzt, beinahe clean. Dadurch, dass man sich mit diesen Gegenständen im selben Raum befand, hatte man unweigerlich begonnen, sich Gedanken zu machen, bis man dann wieder an den natürlichen Lebensraum anknüpfen konnte, wobei die durch das Kunstarrangement inszenierte Bedrohung in unsere Lebensrealität überführbar wurde, man also wieder auf das Natürliche zurückkam.

 

Das zeigt aber auch, dass Kunst uns ungemein überraschen kann und auch aufzeigt, wie eng Natürliches und Künstliches zusammenspielen, einander eventuell sogar bedingen.

Genau. Durch das in-Berührung-Kommen mit dem Werk, den Gedanken, die das auslöst, vielleicht auch die Lust, das Kunstwerk verstehen zu wollen, kann man im Alltag daran anknüpfen. Durch das überraschende Moment oder auch die persönliche Erkenntnis, setzt ein Nachdenken ein, dass viele Bereiche des Lebens umfassen kann. 

 

Claude Monet hat in der Natur Natur gemalt. Wie künstlich wirkt seine Malerei?

Monet gehört zu den Impressionisten, die eigentlich zu den ersten gehörten, die nach draussen gingen und in der Natur arbeiteten. Dies hatte vor allem auch mit der Entwicklung der Farben in Tuben zu tun, da dies den Transport des Materials erheblich vereinfachte. Die Impressionisten malten in der Natur vor der Natur. Sie malten möglichst genau das, was sie wahrnahmen. Die Impressionisten nahmen vor allem das Licht, das die Farben veränderte, wahr, was dann wiederum dazu führte, dass der Einfluss des Lichtes auf die Farben überspitzt zum Ausdruck kam, wie dies in vielen Malereien Monets zu sehen ist. Auch diese Art des Malens weist einen gewissen Abstraktionsgrad aus, so werden bestimmte Farbstimmungen kanalisiert, die wahrscheinlich in der Natur genauso vorherrschen, doch wirken diese im Endprodukt dann eben doch wieder auch künstlich. Wir sehen nicht Monet, wenn wir in die Natur hinaustreten. Doch mit der Erfahrung, die wir durch die Bilder von Monet machten, können wir in der Natur Farbstimmungen à la Monet sehen.

 

Und so sehen wir auch keine Landschaftsmalerei, wenn wir uns ins Grüne begeben.

Richtig. Die Landschaftsmalerei hilft uns dabei in der Natur eine schöne Landschaft zu erkennen. Was man als schön oder lieblich empfindet, entspringt (meist) der Literatur, der Kunstgeschichte, einer Komposition nach einem Schema, das vieles ausblendet. Schön erscheint uns etwas, weil wir das Wissen aus der Kultur- oder konkreter der Kunstgeschichte kennen, wobei dieses Wissen uns vermittelt, wie eine schöne Landschaft aussehen muss. Wir haben demnach ein Bild davon, was Kultur und was Natur ist. Das Spannende ist, dass wir wissen, dass wir 'bearbeitete' Natur vor uns haben und uns dann trotzdem irgendwie befreit fühlen durch die Betrachtung.

 

Würdest du das Kunstschaffen an sich als etwas Natürliches bezeichnen?

Auf jeden Fall. Wenn ich künstlerisch arbeite, möchte ich bei mir sein, mich von der Zerstreuung lösen, versuchen meine (inneren) Gedanken auszudrücken.
Mit einen Klumpen Ton in der Hand zu werken, ist für mich etwas völlig Natürliches, alleine schon aufgrund des Materials. Diesen Klumpen in der Hand zu haben, hat eine gewisse therapeutische Wirkung; ich kann diesen formen, verändern, korrigieren. Ich liebe aber auch die Malerei, mit Farben rumzuschmieren, wobei man da bereits ein wenig weiter weg vom Haptischen des Knetens ist, schliesslich hat man einen Pinsel in der Hand. Das Gestalten am Computer ist dann nochmals eine andere Kiste, nochmals distanzierter, was mir aber auch grossen Spass bereitet. Um noch einen letzten Namen einzubringen: Jeff Koons finde ich ziemlich unnatürlich. Seine künstlich, aufgeblasene, mit beinahe sterilen, glatten Oberflächen versehene Kunst wirkt schon ziemlich abgespacet. Wobei ich das Spiel mit dem Kunstmarkt, das Koons bedient, durchaus spannend finde.

Anina, ich danke dir herzlich fürs Gespräch!

[unbearbeitetes Bild]

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